Der stellvertretende Leiter des Referats für Digitale Bildung am Kultusministerium Baden-Württemberg über die Herausforderungen digitaler Bildung und die Verantwortung der Schulen. 

In einem Interview mit Johannes Wacha, Student der Medienwissenschaft in Tübingen, fasst Hans-Christoph Schaub die aktuelle Situation, Lösungsstrategien und Ziele zusammen. 

Bei der Auseinandersetzung mit dem Thema „Digitale Bildung an Schulen“ gebe es zwei zentrale Fragen: Wie viel Digitales braucht der Unterricht wirklich und was muss der Lehrer dafür können? Um diese Fragen zu beantworten und die Ergebnisse sinnvoll umzusetzen, müsse der Kurs weg von der typischen Überlegung: „Wir machen jetzt mal Digitalisierung in der Schule!“. Durch unsere mittlerweile enorme Abhängigkeit, von den auf unseren Alltag zugeschnittenen Geräten, brauche es einen ganz neuen Bildungsauftrag. Dies gelte aber nicht nur für Schulen, sondern auch gesamtgesellschaftlich. Dieser Bildungsauftrag wird in der Landesregierung durch die „Digitalisierungsstrategie“ formuliert. Für Hans-Christoph Schaub sind vor allem drei Maßnahmen wichtig: Zum Einen die didaktisch wertvolle Verankerung von digitalen Medien in den Unterricht sowie eine angemessene Qualifikation der Lehrkräfte. Außerdem müsse dafür gesorgt werden, dass die technischen Voraussetzungen erfüllt seien, um eine funktionierende Verankerung von Medien überhaupt möglich zu machen. Diese Maßnahmen müsse man aber parallel angehen, um nicht die Balance zu verlieren. 

Diese Maßnahmen allein, reichen, laut Schaub, aber nicht aus. Er sieht ein viel grundlegenderes Hauptproblem, als das der fehlenden digitalen Ausstattung in Klassenräumen und fordert: „Ich glaube, wir brauchen eine radikale Veränderung in der Lernkultur.“ Der stellvertretende Leiter des Referats für Digitale Bildung sagt außerdem, dass ein klar definiertes Unterrichtsziel wichtiger sei als digitale Hilfsmittel: „Guter Unterricht speist sich aus Methoden und Zielen, nicht aus Technik.“ Grundvoraussetzung sei nämlich, dass die Lehrenden grundsätzlich einen guten Unterricht machen. Ein sinnvoller Lernprozess komme nur durch ein funktionierendes Unterrichtsmanagement zustande. Die Digitalisierung biete zwar Werkzeuge für die Veränderung, aber zuerst müsse der Unterricht selbst gezielt nachentwickelt werden. Schaub sieht eine Chance zur Verbesserung in der Theorie des „Inverted Classroom“. Die Lehrenden, die schließlich Pädagogen seien, sollen das machen wofür sie bezahlt werden. Stillarbeit während des Unterrichts, solle es in Zukunft nicht mehr geben. Aufgaben sollen von den Schülern schon zu Hause bearbeitet werden und im Unterricht solle nur noch stattfinden, was sowieso mehr Spaß mache: „Wir diskutieren, wir reflektieren, wir ergänzen unsere Informationen und recherchieren nach stützenden und widersprüchlichen Quellen.“ Das bilde laut Schaub exakt die Fähigkeiten aus, die von Schülern zukünftig erwartet wird. Zu den drei wichtigsten Fähigkeiten, die Schüler im digitalen Zeitalter erwerben sollten, zählt Schaub zum Einen das Finden und Bewerten von Informationen. Außerdem müssen Schüler lernen mit Mehrdeutigkeit umzugehen. Besonders wichtig ist laut Schaub, die Fähigkeit, digitale Funktionsmechanismen so abstrahieren zu können, dass sie im Alltag verstanden und reflektiert werden können. Hier fragt Johannes Wacha nach dem naheliegenden Konzept eines Schulfaches „Medienkompetenz“. Doch davor warnt Hans-Christoph Schaub. Hier sehe er die die Gefahr eines „Verantwortungsvakuums“: „Was wir an Schulen auf keinen Fall brauchen, ist ein Reservat der Medienpädagogik.“ Das einzig Sinnvolle, sei die Konfrontation mit Medien in jedem Schulfach und nicht nur in einem begrenzten Zeitraum im Schulalltag. Alles andere passe nicht mehr in unsere Welt. Da damit auch Deutschlehrer die Verantwortung bekommen, in Medienkompetenz auszubilden, fordert Schaub Lehrerfortbildungen. Es sei wichtig, den Lehrenden, die Fähigkeit zu vermitteln, didaktisch mit Technologie umgehen zu können. 

Dazu müsse das Land den Schulen die notwendige Unterstützung bereitstellen. Dazu gehöre eine unterstützende Evaluationseinrichtung, aber auch persönliche Berater für Eltern und Lehrer. Das passiere aktuell aber nicht. Trotzdem herrscht kein völliger Stillstand, denn es werde an einer digitalen Bildungsplattform gearbeitet. Damit solle eine Infrastruktur geschaffen werden, mit der Lehrende, aber auch Schüler in der Lage sind, rechtssicher auf bestimmte Basisfunktionen zugreifen zu können. 

Insgesamt sieht Schaub positiv in die Zukunft: „Wir sind an einem Punkt, an dem wir viel Fundament geschaffen haben. Das gilt es jetzt mit Inhalten zu füllen. Was die Bildungspolitik angeht, schaue ich optimistisch in die Zukunft.“

Durch neue Techniken stehen uns im Bildungssektor viele neue Möglichkeiten offen. Diese  in Schulen sinnvoll und zielführend umzusetzen, ist kein einfaches Vorhaben. Jedoch bieten diese Veränderungen so viele Chancen, dass es enorm wichtig ist, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.